Man sammelt das Gold ein
Ist außer mir noch jemandem aufgefallen, dass vor kurzer Zeit ein bemerkenswerter Trend aufgekommen ist? Eine Flut von "Geld für Gold" Unternehmen wirbt dafür "alten, nicht mehr benötigten" Goldschmuck in etwas angeblich wertvolles umzutauschen, in Geld, indem man ganz bequem einen Umschlag ordert und den "Plunder" in einen Postkasten wirft.
Im Frühjahr 2009 tauchte die erste Welle von Berichten vor allem in öffentlich-rechlichen Fernsehsendern und Printmagazinen auf, die sich mit dem Thema "Altgold" beschäftigten.
Aber erst seit Februar 2010 kann man die Präsenz des Themas auf allen Kanälen nur noch als Offensive werten. Es begann in der Werbung, vor allem auf Sendeplätzen am Vormittag und in den Mittagsstunden, was meist nicht nur Budgetgründe hat, sondern mit Zielgruppen und deren spezifischem Fernsehverhalten.
Auch hier wieder dick dabei: der fröhliche Kalmund, der offensichtlich den bisherigen Job von Verona Feldbusch übernommen hat und mit seiner gemütlichen Beliebtheit fast omnipräsent für alle möglichen Dinge Reklame treibt; bei der Feldbusch konnte man aber den Ton abstellen, dann war die wenigstens noch hübsch anzusehen ...
Und mit welcher Inbrunst der scheinbar naive Kolloss wieder ins Feld springt und verbirgt was im Busch ist, spricht er doch davon dass "wir ihr Gold bewerten" und dass "wir Ihnen das Geld überweisen", als würde er persönlich mit an- und auspacken. Das erinnert mich an den Fernsehspot, in dem ein bärtiger knorriger Grieche Schafskäse in einem rustikalen Keller zum Reifen bringt, und am Ende ists Werbung für "Patros", ein Kuhmilchfetasurrogat aus Friesland), auch da war die Werbung (der einzig wahre) Käse!
Der Kalmund mag als Testesser und Jurymitglied in der Kocharena erfahren und vertrauenswürdig sein, hier aber verleiht er korrupt seinen Leumund, und der basiert nur auf der beeindruckenden Unabschneidbarkeit seines sympathischen Gefasels in Talk- und Unterhaltungsshows, also eigentlich ist der unsere Paris Hilton nur mit Wurstwaren statt Koks in einer Abhängigkeitsbeziehung, warum will der mir helfen mein Altgold zu entsorgen?
Manche dieser Spots erwähnen auch "Zahngold", wobei bislang noch nicht bekannt ist, ob die Anfragen an Bestatter, ob man den Mund von Oma oder Opa nicht noch rohstofflich ausbeuten könnte bevor diese versargt werden, bereits durch diese Anregung gestiegen sind.
Supliment all dieser Werbungen ist also, dass man sich des "alten Golds" jetzt auf höchstem Service und Sicherheitsniveau entledigen und es in echtes Geld tauschen kann. Gerne auch verknüpft mit emotional wirksamen Vorschlägen, wofür man welches brauchen könnte.
Was für meinen Geschmack allerdings etwas verdächtig ist, parallel tauchten innerhalb einer Woche auf fast allen Sendern sogenannte Berichte auf, die bei der Veräußerung von "Altgold" beraten wollen. Und jeder Sender macht den Vergleichstest, mit dem immergleichen Ergebnis, dass Juweliere erster Adresse und die größeren Versandeinkäufer annehmbare Preise bieten, kleinere Juweliere und vor allem solche mit "Migrationshintergrund" einen eher am Goldkettchen über den Tisch ziehen würden. Hier werden also gleich zwei Programmierungen gesetzt und gestärkt, der allgemeine Fremdenhaß, und die Idee, "altes Gold" in Geld zu tauschen, solang der Goldpreis noch hoch ist, ...
Aber Moment, was könnte den Goldpreis denn sinken lassen? Das Gold überreichlich angeboten und wenig nachgefragt wird? Ein steigendes Angebot von "altem Gold" vielleicht, dass aus Schränken und Schatullen gekramt wurde, um auf Anraten des Fernsehens in etwas getauscht zu werden, wovon gerade Milliarden und Abermilliarden Mengen aus dem Nichts erfunden wurden, wohin sie jederzeit auch wieder verschwinden können?
Mehr oder weniger ausgesprochen steckt in den Berichten und den Aussagen der reichlich befragten Fachkompetenen aber immer die Quintessenz: Grundsätzlich ist die Veräusserung von Gold eine gute und lohnende Sache, und immer wird das Gold gegenüber dem Geld mit Attributen wie "alt", "überflüssig", oder "aussortiert" abgewertet. Aber ist dies wirklich so?
Der ebenfalls mehr als Werbefigur denn als Journalist zu betrachtende Johannes B. Kerner macht noch anschaulichere Verlockungen, indem er dass zum Mitbringen von Altschmuck aufgeforderte Publikum damit überrascht, dass der Experte oft mehr als das Doppelte bewertet, als die Mitbringer erwartet hätten, und es wird auch gleich großzügig mit Euro Noten vor der Nase der Goldbesitzer gewedelt.
Ich halte es für einen besseren Ratschlag momentan sein Gold, sofern man welches besitzt, zu behalten. Wer keines hat, aber Geldguthaben auf einem Konto oder in bar, der kann den prognostiziert sinkenden Goldpreis eher nutzen, um so viel wie möglich von dem theoretischen Geld in etwas eher materielles zu verwandeln, also Gold oder Land zu kaufen, oder Genossenschaftsanteile an einem guten Projekt für nachhaltiges Wirtschaften.
Wiederholt sich die Geschichte, und dazu neigt sie bekanntermaßen, dann ist es eher lohnend sich stattdessen nun so horend wie irgendmöglich zu verschulden, und von dem fiktiv geliehenen Geld lieber wirkliche Ansprüche oder Wertsymbole zu erwerben, die mittlere oder größere kulturelle Umschwünge ungemindert überstehen können. Diese Schulden wären dann zum Zeitpunkt der wohl absolut sicher in den nächsten zwei Jahren einsetzenden Superinflation leicht aus der Welt geschafft, durch Überhöhung der Ziffern im Geldsystem.
Dieser Rat ist allerdings momentan noch ohne Gewähr. |